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Von Bertus Viljoen
Der Amiga von heute ist einen weiten Weg gegangen und hat mehrere
Male den Besitzer gewechselt. Glücklicherweise hat der Amiga überlebt.
Hier folgt die wahre und essentielle Geschichte.
1985-1987 - Die
MarkteinführungDas
Leben des Amigas begann im Jahre 1985. Amiga (das Unternehmen) entwickelte eine
Maschine mit dem Codenamen Lorraine und wurde in den folgenden Monaten von
Commodore Business Machines aufgekauft. Lorraine bekam noch etwas mehr Speicher
in den Desktop und wurde als Commodore
Amiga 1000 auf den Markt gebracht. Es war die aufregendste Maschine zu
dieser Zeit: 4096 Farben, Genlock-fähige Farben, digitaler Sound, ein
leistungsstarker Prozessor und ein grafisch orientiertes Betriebssystem mit
funktionierendem Multitasking. Und dies alles zu einer Zeit, als gängige
PCs mit Mono-Beep-Sound und 2 Farben auskamen und von Multitasking und
Multimedia erst 7 Jahre später hören sollten. Aufgrund dieser
wundervollen Eigenschaften und einem niedrigen Preis von rund $800 wurde das Gerät
zum Kassenschlager.
Wer erinnert sich nicht an solche Spieleklassiker
wie Defender of the Crown oder Marble Madness? Spiele, die auch heute noch viele
Neuheiten bezüglich Spielspaß und Technik locker in die Tasche
stecken ...
1987-1991 - Die Marktführer
Zwischen
1987 und 1989 wurden die beiden Nachfolgemodelle eingeführt. Der A2000
sollte mit seiner Vielzahl an Slots und seiner hohen Geschwindigkeit dem
aufkommenden PC-Kauf entgegenwirken, dem A500 gelang es mühelos, den
Konkurrenten ST von Atari aus dem Wege zu räumen. Die beiden Modelle wurden
neben dem Einsatz als Homecomputer hauptsächlich von Grafik- und
Musik-Studios erworben, in der restlichen Geschäftswelt blieb der Erfolg
weitgehend versagt.
1991 wurde der A3000 hervorgebracht: Workbench 2.0,
32-bit, 68030, SCSI, ECS und die Fähigkeit, Standard-SVGA-monitore zu
benutzen, gehörten zu den aufregendsten neuen Merkmalen. Video-Toaster und
Lightwave 3D wurden fast gleichzeitig veröffentlicht, die technische
Revolution stand bevor. Fast alle NTSC Fernseh-Produzenten benutzten (und
benutzen noch heute) den Amiga. Das Ergebnis sind professionelle 3D Graphiken in
Fernsehproduktionen für 10 mal weniger Geld und Aufwand als wenn diese mit
gängigen Workstations berechnet würden (siehe Seaquest DSV, Babylon 5,
Robocop, etc.). Im gleichen Jahr veröffentlichte Commodore das CDTV, ein
Amiga in einer Hi-Fi-Box mit einem CD-Rom. CBM wußte, daß das CD-Rom
den Weg in die Zukunft bestimmen würde, konnte aber das Gerät nicht
entscheidend auf dem Markt etablieren. Das CDTV bedeutete mehr Schaden als
Nutzen für den Amiga.
1992-1993 - Die Fehler
Ab
diesem Zeitpunkt begannen die Dinge für den Amiga schief zu laufen. Zwei
neue und innovative Systeme wurden entwickelt: der A3000+ mit heute gängigen
SVGA Grafiken (AGA) und dem Einbau des AT&T DSP32 (einer Emulation von V.42
bis Fax/Data Modem durch Software!) und der Amiga 1000+, ein
Super-Low-Cost-Computer mit 2 AGA Slots, 28MHz 68020 oder 68EC030 und 4Mb Ram
(heute lächerlich wenig, damals ein Renner). Unglücklicherweise wurden
die Projekte von einem neuen Management auf Eis gelegt und anstelle dessen wurde
zwei Systeme veröffentlicht, die nicht einmal den Vorgänger-Systemen
vom technischen Aspekt das Wasser reichen konnten und noch dazu hoffnungslos überteuert
waren: der A600 und später der A500+ (kurz: konnte weniger und kostete mehr
als der A500). Kurz darauf (1993) erschien auch schon das derzeit aktuelle Gerät,
der Amiga 4000 mit einem noch nicht ausgereiften 68040er Prozessor, einem eilig
zusammengeschusterten Desktop mit schlecht eingebauter CPU Karte, jetzt wieder
ohne SCSI (!), sondern mit dem langsameren IDE ausgestattet, als Ersatz dafür
wenigstens 72pin SIMMs und ein Zorro-III-Buster (Amiga-Schnittstelle,
Anm.d.Red.). Besonders das Fehlen des Flicker-Fixers schadete dem Amiga-Image,
da die Rechner jetzt standard-mäßig an einen Low-Resolution-Monitor
mit flickernden 15khz angeschlossen wurden, auch wenn der Anschluß an
einen (extrem teueren) MultiScan Monitor theoretisch möglich war - dies war
das erste mal, daß der Amiga einem PC in einer Komponente unterlegen war.
Dennoch war der Rechner nicht generell schlecht: AGA war dem PC VGA deutlich überlegen
und die Workbench 3 war ohnehin schon immer ein Maßstab für andere
Betriebssysteme.
Kurz darauf erschien auch das Low-End-Modell, der
Amiga 1200, der heute weitverbreiteste Amiga. Der A1200 fasste die Idee des A500
auf: soviel wie möglich in das kleine Gehäuse stecken, das ja nur
unwesentlich größer ist als eine normale PC-Tastatur!). 68020, AGA,
Workbench 3, IDE, PCMCIA Interface.Die
Entwicklungen konzentrierten sich nun im wesentlichen auf die weitere
Verbesserung der Grafik- (AAA) und Soundchips, wovon das im Jahre 1994 veröffentlichte
CD32 allerdings noch nicht betroffen war. Grundsätzlich war dies
ein CDTV 2 mit der Technik des A1200 und einem Akiko Chunky to Planar converter,
sozusagen der technische Wegbeschreiter für die heutigen Konsolen
Playstation und Nintendo 64. Der entscheidende Fehler von Commodore war hier, daß
man nicht versuchte, sich auf die Anwenderschiene zu konzentrieren und Wirbel
auf dem PC- und Mac-Markt zu stiften, indem dem A1200 und A4000 ein CD-Rom
gestiftet würde. Eher versuchte man, sich auf dem damals sinkenden
Konsolenmarkt mit Spielen zu etablieren.
Die
Workbench 3.1, immerhin, unterstützte CD-Roms und galt als Upgrade für
alle Amigas. Der A4000T, die High-End-Maschine in Perfektion mit SCSI
und vielen Slots (aber noch immer fehlendem Flicker-Fixer), wurde kurz vor der
Liquidation von Commodore, einst Deutschlands drittgrößter
Arbeitgeber (!), veröffentlicht. Im Hintergrund plante Commodore bereits
die Einführung von neuen Systemen, einer Kombination von RISC Prozessoren
von Hewlett Packard und den bewährten und auch heute noch stabilsten
Prozessoren der 680x0-Reihe von Motorola, die auch von Apple und Atari benutzt
wurden, sowie die Nutzung eines 3D RISC Custom-Chips für die grafische
Ebene.
1994-1995 - Commodore-Crash
Am 29. April 1994
geschah das vorhersehbare Schicksal: Commodore US beantragte den Konkurs. Die
restliche Amiga-Welt (Amiga Europa und 3rd-Party-Developer) zeigte sich
unbeeindruckt und führte die Entwicklung voran.
Zwei Monate, am
20. Juni 1994, später starb Jay Miner, der als der Vater des Amiga
angesehen wird - ein herber Verlust für die Amiga-Gemeinde.
Nach
langer Verhandlungsphase kaufte Escom Commodore und legte den Amiga samt Zubehör
gegen Jahresmitte neu auf. Obwohl der Amiga dem PC technisch immer noch in
vielen Belangen überlegen war (der PC hat(te) ein bescheidenes
Betriebssystem und eine ebensolche Architektur (und User :))), wurde aber seit
mehr als einem Jahr nicht mehr weiterentwickelt und erwies sich dadurch nicht
als der Verkaufsschlager, den man sich erhoffte. Die Welt wartete auf neue
Amigas! Mittlerweile hatte Apple seinen MacIntosh Rechnern PowerPC RISC
Prozessoren gegönnt und damit den Amiga bezüglich der Leistung überrundet.
1996
- Escom-Konkurs
Der neue Amiga Prototyp wurde auf der CeBit `96
gezeigt. Projekt "Walker" erhielt eine radikale Design-Änderung
und wurde fortan wegen seiner Ähnlichkeit zu einem Staubsauger als "Vacuum
Cleaner" bezeichnet: 68EC030, Standard HDD, 4x CD-Rom, 6Mb Ram, besserer
I/O-Controller, Workbench 3.2 und viele Erweiterungs-Slots. Amiga International
kündigte das Erscheinen des neuen Geräts für den darauffolgenden
Monat an. Stattdessen beantragte auch Escom den Konkurs, überlastet durch
den Kauf von Commodore und den High Street Filialen in England. Daraufhin
wendeten sich mehrere Softwarehersteller ab und konzentrierten sich auf den
vermeintlichen PC-Pool aus Gold. Noch dazu konnte 10 Jahre (!) nach der Einführung
eines funktionierenden Multitasking-Systems (Amiga) auch am PC ein schlechter
Hack veröffentlicht werden, der Multitasking versprach, Windows 95 von
Microsoft. Für die Zukunft des Amiga sah es in der Tat nicht gut aus.
1997
- Gateway 2000
Das Highlight im Jahre 1997 war die Übernahme
von Amiga Technologies durch Gateway 2000, einem führenden PC-Distributor
aus der USA mit einer Jahresbilanz von 5 Milliarden Dollar! Dies war eine Ankündigung,
die sowohl die Amiga-Gemeinde aufatmen ließ als auch diverse
Zweithersteller dazu animierte, die Entwicklung voranzutreiben und so die Zeit
zu überbrücken, bis ein neuer Standard durch Amiga Technologies, nun
wieder umbenannt in Amiga International (Firmensitz in Deutschland,
verantwortlich für die Hardware und die Vermarktung) sowie Amiga Inc. (USA,
verantwortlich für die Software-Emtwicklung) bestimmt würden, darunter
der Phase 5 Amiga, Hersteller von Grafik- und PowerPC-Karten, der DraCo (ein
Videobearbeitungs-PC), der Micronik-Rechner und diverse andere Amiga-Clones.
1998-1999
- Der Wiederaufbau
Nachdem sechs Jahre seit der Entwicklung neuer
Amigas vergangen sind, dauert der Wiederaufbau des Unternehmens natürlich
an. Neue Strukturen müssen geschaffen, die Marketing- und Vertriebskanäle
aufgebaut werden, neue Enticklungen geplant und natürlich erst noch
umgesetzt werden.
Generell sieht die Zukunft für den Amiga nach
einigen miesen Jahren wieder recht gut aus. Der Amiga hat überlebt, und
Gateway (ex-Gateway 2000, umbenannt wegen dem anstehenden Jahrhundertwechsel)
hat genug Geld auf dem Konto, um die Entwicklung, die Vermarktung und den
Verkauf neuer Amigas zu finanzieren.
Noch ist der Abstand zu PC, Mac
und Konsolen nicht zu groß. Das AmigaOS ist eines der stabilsten und
komfortablesten Betriebssysteme überhaupt. Standard-Implementierungen wie
Java-Support oder TCP/IP-Stack werden ebenso ihren Weg in die neue
Amiga-Generation finden wie ein weiter verbessertes Grafik- und Sound-System.
Der
Rückstand zur Konkurrenz kann mit einem attraktiven Preis-/Leistungs-Verhältnis
und der geeigneten Vermarktung, die in den letzten Jahren völlig gefehlt
hat und somit potentielle Käufer erst gar nicht erreichen konnte, schnell
wettgemacht werden.
Spätestens Ende 1999, dem 15. Jubiäumsjahr
des Amiga, wissen wir noch mehr!
Originaler Artikel: Bertus Viljoen
Übersetzung & Ergänzungen:
Nico Barbat
Photos: Amiga Inc.
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